Lieblinge des Monats März.
Penelope Fitzgerald: Die Buchhandlung
Florence Green wagt einen Neuanfang: Sie eröffnet eine Buchhandlung in Harborough, einem kleinen, sehr schlecht erreichbaren Ort an der englischen Küste. Dafür nimmt sie einen Kredit auf und kauft das Old House, das kleine, feuchte, älteste Haus der Gemeinde. Schon das Gespräch mit Mr. Keble von der Bank gestaltet sich schwierig – er scheint eine irritierende Vorstellung vom Buchhandeln zu haben und es mit Kulturvermittlung zu verwechseln. Florence Green hingegen weiß, was sie tut, sie hat es in jungen Jahren von der Pike auf gelernt, und ist sich sehr genau bewusst, dass ein glückliches Unternehmen auf Gewinnerzielung beruht. So geht sie die Buchhandlung an, kauft Bücher und stellt eine sehr junge Gehilfin ein. Auf Bitten der Kundschaft integriert sie sogar eine kleine Leihbibliothek. Im ganzen Tun vergisst oder vielmehr verdrängt sie, dass Mrs. Gramstat, die im herrschaftlichen Haus lebt und das Sagen in Harborough hat, eben jenes Old House für ein Kulturzentrum hatte haben wollen. Das erste Weihnachtsgeschäft ist sehr erfolgreich, doch dann gibt es immer wieder Briefe von Anwälten, die für Unruhe sorgen …
Penelope Fitzgeralds Roman handelt nur vordergründig vom Führen einer Buchhandlung. Er ist eher eine Art Ortsbeschreibung, mit einer mutigen, klugen Frau im Zentrum, die gesellschaftlich über allen Dingen zu stehen meint – es aber natürlich nicht tut. Fitzgerald erzählt eher nüchtern, jedoch im typisch englischen, leicht ironischen Tonfall. Da sitzt jedes Wort und auch die ungewöhnlichste Beschreibung ist absolut nachvollziehbar. Übrigens: Auch wenn Florence Green Bücher mag und eine Buchhandlung ihr für den Ort notwendig und gewinnbringen scheint, von Büchern handelt der Roman tatsächlich fast nicht. Sehr reizvoll ist er trotzdem!
Suhrkamp Verlag, Übersetzung: Christa Krüger, 978-3-518-47021-3, € 12,00
Ralf Schwob empfiehlt - Andreas Wunn: Saubere Zeiten
Der Berliner Journalist Jakob Auber kehrt ins Elternhaus nach Trier zurück, weil sein Vater im Sterben liegt. Er vererbt seinem Sohn nicht nur das Haus, sondern auch einen ganz besonderen Nachlass darin: In Jakobs Kinderzimmer hat der der Vater in den Monaten vor seinem Tod eine Art Familienarchiv angelegt, das auch Tonbänder enthält, auf denen der Vater über seine Kindheit und Jugend spricht.
Jakob taucht immer tiefer in die Geschichte der eigenen Herkunft ein, befragt seine eigene Erinnerung, stößt auf Lücken und Ungereimtes. Seinem Großvater, Theodor Auber, gelang nach dem Krieg dank seines Erfindungsreichtums der Aufstieg vom Drogeriebesitzer zum einflussreichen Waschmittelfabrikanten. Dass seine Familie einmal reich gewesen ist, weiß Jakob nur aus den wehmütigen Erzählungen der Großmutter. Warum dieser Reichtum in den 60er Jahren wieder verlorengegangen ist, darüber wurde nicht gesprochen.
Im Familienarchiv findet Jakob auch Bilder einer jungen Frau, Bella, die bei seinem Großvater in der Drogerie gearbeitet und in die sich der Vater damals als Teenager verliebt hat. Bella verlässt Deutschland jedoch in den späten 50er Jahren und bricht den Kontakt zu ihm ab. Offenbar gab es aber zwischen Jakobs Vater und der geheimnisvollen Frau kurz vor dessen Tod noch einmal einen kurzen Briefwechsel …
Jakob macht sich auf die Suche nach Bella und findet dabei nicht nur heraus, worauf sich der Reichtum der Familie wirklich gründete und warum er wieder endete, sondern auch wie sich das Schweigen zwischen den Männern in der Familie bis zu ihm fortsetzt.
„Saubere“ Zeiten ist ein spannender und zugleich tiefgründiger Roman über Familiengeheimnisse, die deutsche Nachkriegszeit und darüber, wie eine Schuld auch die nachfolgenden Generationen prägt, ohne dass ihnen das bewusst ist.
Aufbau Verlag, 978-3-351-03890-8, € 22,00
Berufspraktikantin Amelie empfiehlt - Samantha Shannon: Der Orden des geheimen Baumes
Eine fantastische Welt, in der Rivalität und Religionen das Geschehen beeinflussen. Im Königinnenreich von Inys soll die Königin Sabran ihr Volk beschützen, denn solange ihre Linie erhalten bleibt, sagen die Legenden, bleiben auch die Drachen fern. Doch die Zeit wird knapp. Sie hat noch immer kein Kind zur Welt gebracht und mit jedem weiteren Jahr steigt die Gefahr, dass die Drachen auferstehen. Nur dank des Schutzes ihrer Zofe Ead, die in Wahrheit eine Magierin vom Orden des geheimen Baumes ist, bleibt die Königin von Auftragsmördern verschont, die deshalb ihrer Herrschaft ein Ende setzen wollen.
Im Osten hingegen werden die Drachen als Götter verehrt und nur von ihnen auserwählte Schüler dürfen Drachenreiter werden. Die junge Schülerin Tané steht kurz vor ihrer Prüfung, als sie einem Schiffsbrüchigen das Leben rettet und ihr eigenes damit in Gefahr bringt.
Samantha Shannon überzeugt mit ihrem einzigartigen und sehr bildhaften Worldbuilding, ihrer Liebe zum Detail und gut ausgearbeiteten Figuren. Dabei stehen vor allem starke Frauen im Vordergrund, welche sowohl als Herrscherinnen als auch als Kriegerinnen begeistern. Trotz leichtem romantischen Subplot ist hier vor allem das politische und kriegerische Geschehen sowie die Magie das, was dem Buch seine Spannung verleiht, da alle Seiten zusammenarbeiten müssen, um einen uralten Feind besiegen zu können.
Blanvalet Verlag, Übersetzung: Wolfgang Thon, 978-3-7341-6232-9, € 15,00
Anja Wagner: Magic Agents – In Dublin sind die Feen los!
„Erwachsene können sich nicht vorstellen, dass Kinder einen wichtigeren Auftrag haben als sie. Sie sind in dem Glauben zu belassen.“ (9. Allgemeingültige Richtlinie)
Elia Evanders Eltern wissen, wie wichtig die Missionen sind, auf die die jungen Magenten – magischen Agent*innen – geschickt werden können, sie waren früher selbst welche. Als Erwachsene arbeiten sie auch weiterhin mit Magie, ihr Job ist jedoch wie bei allen über 18 Jahren ortsgebunden und weit weniger aufregend. Elia, die gerade mit Bestnote ihre Magentenprüfung bestanden hat, sehnt die erste Mission herbei, ab ihrem 12. Geburtstag kann es jederzeit losgehen. Und tatsächlich: Am Nachmittag vorher erfährt sie, dass sie schon um Mitternacht starten soll! Ein anderer Magent hat den Notknopf gedrückt – das bedeutet Lebensgefahr und damit sofortige Rückkehr in die Zentrale. Nun soll Elia den Job übernehmen und in Dublin ein Artefakt suchen, von dem niemand weiß, wie es aussieht. Und wo es bisher war, das ist auch nicht bekannt …
Natürlich soll Elia gleich die ganze Welt retten. So ist es ja oft in Fantasyromanen … Und trotzdem hat mich dieser erste Band einer neuen Reihe absolut begeistert: Es gibt so viele ungewöhnliche Details und Ideen, dass es überraschend und eine wirkliche Lesefreude ist. Zum Beispiel braucht es einen magischen Begleiter, damit die Magenten überhaupt Magie ausüben können – sie müssen sich jeden Tag neu „aufladen“. Elias Begleiter ist ewig schlecht gelaunt und reden kann er auch, das macht ihre geheime Mission nicht leichter. Außerdem hat Anja Wagner viel über die Legenden Dublins mit hineinverwoben und in den Folgebänden, die jeweils an anderen Orten spielen werden, soll das genau so bleiben. Längere Lesefreude ist also garantiert!
Verlag cbj, 978-3-570-18056-3, € 14
Aurélien Davroux: Wächst fast ohne Wasser
450 trockenheitstolerante Pflanzen für jeden Standort – so ist der Untertitel des vorliegenden Gartenbuches. Ja klar, denkt man, die letzten Jahre waren sehr trocken, da sind in dieser Hinsicht tolerante Pflanzen sicherlich eine gute Idee. Der Autor weitet jedoch unseren Blick: Ihm geht es auch um Trockenheit, die durch den Standort und die Nachbarbepflanzung entsteht. Darüber hinaus erklärt er, wie auch Bodenbeschaffenheit und -pflege, wie das Miteinander von Pflanzen und ihren Wurzelpilzen die Bewässerungsbedürfnisse verändern. Das alles ist mit viel Fachkenntnis geschrieben und übersichtlich strukturiert, denn Aurélien Davroux ist ein Mann der Praxis. Seit 15 Jahren testet er in seinem Versuchsgarten das Verhalten und die Vergesellschaftung von 1500 Arten und Sorten ohne den Einsatz von Pestiziden, dabei legt er Wert auf minimierte Pflanzenpflege. Das macht ihn auch für Kommunen zum begehrten Ratgeber.
In diesem Buch teilt Davroux uns, sortiert nach schattigen, halbschattigen und sonnigen Standorten, seine Ergebnisse mit. Jede Pflanze ist abgebildet, Blütezeit, Größe, Wuchsform, Bodenvorliebe – all das ist notiert und hilft bei der Suche nach der geeigneten Bepflanzung. Und weil sehr viele Pflanzen sowieso erst im Spätsommer oder Herbst eingepflanzt werden sollten (auch das erklärt er sehr genau), haben wir tatsächlich noch Zeit, dies alles in Ruhe zu planen …
Ulmer Verlag, Übersetzung: Sabine Hesemannn, 978-3-8186-1359-4, € 30,00