Kein Kriminalroman.
Denkt man an Georges Simenon ist man automatisch im Paris der 30er bis 50er Jahre. Dabei hat dieser grandiose, vielschreibende Autor außer seinen Krimis, in denen der Pariser Kommissar Maigret ermittelt, noch eine ganze Menge anderer Romane verfasst. Allesamt eher schmal; aber alle mit sehr großem Gespür für Menschen und ihre Nöte, atmosphärisch dicht und mit kritischem Blick auf die soziale Lage - und alle im typisch lakonischen Simenon-Tonfall geschrieben.
Marie Le Flem ist 17 Jahre alt, als sie Waise wird. Ihre jüngeren Geschwister kommen bei Verwandten unter, sie selbst wagt die Selbständigkeit. Zur Beerdigung des Vaters kommt auch die ältere Schwester Odile, gemeinsam mit ihrem Liebhaber, dem reichen Henry Chatelard.
Am gleichen Tag ersteigert Chatelard eine Schiffsruine – in den darauffolgenden Wochen verbringt er mehr und mehr Zeit bei deren Renovierung. Immer in der Nähe der stolzen, unnahbaren Marie …
George Simenon: „Die Marie vom Hafen.",
Diogenes Verlag, € 9,00, eBook € 7,99
Sieben Jahre …
Im Oktober 1931 lernt die zurückhaltende Lily Dane den Footballspieler Nick Greenwald kennen – es ist Liebe auf den ersten Blick. Allerdings zögert Lily, Nick ihrer Familie vorzustellen, denn Nick ist jüdischer Abstammung und damit eindeutig nicht standesgemäß. Ihre Befürchtungen bewahrheiten sich und in der Hitze der Emotionen brennen die beiden durch. Sieben Jahre später ist Lily zurück bei ihrer Familie und kümmert sich liebevoll um die jüngere Schwester Kiki, da treffen sich die beiden im Ferienort Seaview vor der Küste New Yorks unter den denkbar schlechtesten Voraussetzungen: Nick hat mittlerweile Budgie geheiratet, Lilys mondäne Freundin aus Kindertagen …
Wir Leser erfahren Puzzleteil für Puzzleteil was 1931 und 1938 geschah, mit immer überraschenden Wendungen. Lily Dane als Ich-Erzählerin ist einerseits sehr gefühlvoll und andererseits ausgesprochen pragmatisch – und das ist eine wirklich interessante und lesenswerte Mischung.
Beatriz Williams: „Im Herzen des Sturms",
blanvalet Verlag, € 9,99, eBook € 8,99
Ein Bruder im Geiste von Helen Fielding und Nick Hornby.
Das zumindest sagt Angela Wittmann, die in der Zeitung „Brigitte" für die Buchempfehlungen zuständig ist. Das finden wir auch: in Stephan Bartels Roman „Dicke Freunde" vereinen sich Witz und Herzenswärme mit einer Geschichte, die eigentlich jedem passieren könnte.
Seine Katja überraschen und mit ihr einen langen, schönen Abend verbringen, so hat sich Simon Havlicek seinen Geburtstag vorgestellt. Allerdings findet er nicht nur sie, sondern auch den italienischen Paketboten in ihrem Büro, in eindeutiger Pose. Katjas Ausrede ist ziemlich heftig: Simon hätte in den letzten fünf Jahren soviel zugenommen, dass er sich nicht wundern dürfe, wenn sie sich für andere Männer interessiere! Statt nachzugeben, wie üblich, verschwindet Simon vorerst aus Katjas Leben. Und findet Unterschlupf bei seinem Arbeitskollegen Hotte, der nicht nur eine große Wohnung, sondern auch einige Pfunde zu viel hat. Gemeinsam arbeiten sie am Wunschgewicht – und erkunden den Weg zum Glück.
Stephan Bartels: „Dicke Freunde", Heyne Verlag, € 9,99, eBook € 8,99
Verflucht.
Sie sind verflucht, die Frauen des Laguna-Clans, schon seit langer Zeit. Wenn sie sich einem Mann in Liebe hingeben, endet das immer im Unglück – zumindest dem eigenen, der Liebeskummer ist wie ein starker Schmerz. Meist auch im Unglück des Liebsten, so mancher soll schon den Tod gefunden haben. Clara Laguna glaubt nicht daran, bis sie sich in einen Grundbesitzer aus Andalusien verliebt. Und er sie zwar wohlversorgt, aber unverheiratet und schwanger zurücklässt. Aus Rache macht sie aus dem ihr zum Geschenk gemachten Landsitz ein Bordell, und gibt das Wissen um den Fluch an ihre Tochter Manuela – Laguna-Frauen bekommen nur Töchter – weiter …
Claras Geschichte ist nur ein kleiner Teil des Romans, die Autorin Cristina López Barrio spinnt den Erzählfaden, mystisch und mit ganz eigenem Sog, noch drei Generationen weiter. Ihre Personen sind gefangen zwischen der Liebe, dem Fluch und den Konventionen, auch wenn sie alles daran setzen, dem zu entgehen.
Cristina López Barrio: „Das Geheimnis der roten Villa.",
Knaur Verlag, € 9,99 eBook € 9,99
Meistens nicht lustig und manchmal ohne Vampire
Wir haben die Überschrift sehr bewusst gewählt, denn Titel und Optik dieser Anthologie sagen eigentlich „Vampire" und „Humor". Beides kommt vor – allerdings eben nicht in jeder der 14 Kurzgeschichten. Geschichten die ein breites Spektrum bieten: da finden Tara und Sam beim Renovieren einen blutigen Hammer, und weil danach eine unendlich üble Stimmung im Hause herrscht, bleibt ihnen nichts anders übrig, als eine alte Geschichte zu ergründen. In einer anderen Story kaufen vier Freunde ein Haus, wollen nur ein paar Tage dort bleiben, und es kommt ganz anders. Und in einer Geschichte hat die Errichtung eines neuen Zaunes, bzw. eigentlich die Ankündigung desselben, ungeahnte Folgen …
Gruselig sind sie alle, mal mehr, mal weniger. Und gute bis beste Unterhaltung bieten sie auch!
Harris / Kelner: „Heimwerken für Vampire", DTV, € 9,95, eBook € 8,99
Schon der Titel macht Laune
„Die schlimme Zeit zwischen Aufstehen und Hinlegen" – dem kann man ja nur zustimmen, im Bett ist die Chance auf Ruhe und Entspannung nun mal am Größten. Die Kurzgeschichten dieser Anthologie nehmen denn auch die Tücken des Alltags genauer unter die Lupe. Da beschreibt Mario Barth die unerquicklichen Telefonate mit Schwägerin und Nichte (und das ist, auch wenn man Barth eher nicht mag, sehr unterhaltsam zu lesen), Hans Rath muss sich zwischen seinem Sicherheitsbedürfniss und neuer Kleidung für die Ehefrau entscheiden und Mia Morgowskis Protagonist möchte aus Serbien ausgebürgert werden: all das klingt ja nicht unbedingt unterhaltsam. Ist es aber. Und vielfältig, teilweise skurril und manchmal viel zu lebensnah.
Goosen / Morgowski / Sachau: „Die schlimme Zeit zwischen Aufstehen und Hinlegen." Rowohlt Verlag, € 8,99
Schnell noch lesen …
… bevor Sie im Juni den Film sehen: John Greens „Das Schicksal ist ein mieser Verräter", als gebundenes Buch fast zwei Jahre auf der Bestsellerliste, liegt seit ein paar Tagen als Taschenbuch vor. Und schnell werden Sie sein, denn man kann und will diese berührend-poetisch-aufregende Liebesgeschichte nicht aus der Hand legen, bevor man die letzte Seite gelesen hat:
Hazel ist sechzehn und hat Krebs. Bereits vor drei Jahren haben ihre Eltern sie aus der Schule genommen, weil ihr die Ärzte nur noch wenige Monate gaben; doch ein neues Medikament hält seitdem den Krebs in Schach. Und sie selbst hält ihre Ängste mit Lakonie und Mut in Schach („‘Ohne Leid würden wir nicht wissen, was Freude ist.‘ Dabei finde ich, dass die Existenz von Brokkoli auch keinen Einfluss auf den Geschmack von Schokolade hat."). Bis eines Tages August Waters in der Selbsthilfegruppe auftaucht, die ihre Mutter ihr aufgezwungen hat. Und bis sich die beiden auf die Suche nach Hazels Lieblingsschriftsteller begeben …
John Green: „Das Schicksal ist ein mieser Verräter.", dtv, € 9,95
Der Liebe wegen.
Einerseits fällt es Jan Maischkat leicht, nach Wolfsburg zu ziehen, mit seiner Liebsten Line hat er ein Haus gemietet. Andererseits: wie wird das werden, eine Großstadtpflanze, an das umtriebige Berlin gewöhnt, in so einem Provinznest? Tatsächlich geht es erst mal ganz gut, es ist Sommer, alles grün, das Leben schön, Jan knüpft lose Freundschaften mit Feuerwehrmann Steffen und Pfleger Bert. Mit den eisigen Herbstwinden aber kommt die Verzweiflung und Jan verlässt sein Arbeitszimmer nur noch für die nötigsten Dinge – was soll er denn hier auch machen, es gibt nicht einmal ein Café!
In flapsiger Sprache erzählt Tom Grote vom entscheidenden Jahr in Jan Maischkats Leben: bleiben oder gehen? Selbstmitleid oder zupackendes Handeln? Freundschaft oder Einzelgängertum? Das ist unterhaltsam zu lesen und hat doch einigen Tiefgang. Und Jan als Hauptfigur wächst uns Lesern, gerade weil er sich meist nicht so ernst nimmt, schon sehr ans Herz.
Tom Grote: „Wolfsburg! Ein Liebesroman",
Verlag Knaus & Ko, € 14,99, eBook € 11,99
Vorsicht, Satire.
Als das Altsprachliche Gymnasium in den 70er Jahren ein neues Gebäude bekam, wurde es aufs Feinste ausgestattet. Heute reichen die wenigen zur Verfügung stehenden Mittel nur aus, dem Verfall zu trotzen. Genau so fühlt sich auch Lehrer Philipp Wilms: vor vielen Jahren hoffte er, mit Engagement und neuen Ideen die Schüler zu begeistern. Heute ist er froh über jeden Ferientag und will außer mit Kollegin Gesine eigentlich mit niemandem zu tun haben. Auch nicht mit den Schülern. Das ändert sich, als nach den Weihnachtsferien die bildhübsche Referendarin Miriam Falter ins Kollegium kommt – und Wilms nahezu gleichzeitig, statt wie erwartetet befördert zu werden, den verhassten Kollegen Ramcke auf dem Posten des Fachleiters vorfindet. Bald wirbt Wilms um Miriam Falters Liebe; gleichzeitig macht er Ramcke das Leben schwer, wo immer es geht. Das alles könnte ja noch gut gehen. Aber leider gibt es an diesem Gymnasium noch den verrückten Lehrer Karst und ein Projekt zur Integration schwieriger Jugendlicher durch engen Täter-Opfer-Kontakt.
Reichlich skurril und köstlich zu lesen – und hoffentlich Satire und keine Wahrheit ...
Michael Marten: „Drei Klausuren und ein Todesfall.",
Aufbau Verlag, € 8,99, eBook € 6,99
Über drei Generationen.
Mary Toliver DuMont ist 85, unheilbar krank - und ändert von heute auf morgen ihr Testament. Nun soll Somerset, die Baumwollplantage, der Mary ihr ganzes Leben gewidmet hat, nicht mehr an ihre Großnichte Rachel gehen, obwohl diese fest mit dem Erbe rechnet. Sondern an ihren guten Freund Percy Warwick, der ein reicher Holzhändler und zudem nicht jünger als Mary ist. Als Rachel davon erfährt, setzt sie alle Hebel in Bewegung, das Testament anzufechten. Erst als es fast zu spät ist, ergründet sie Marys großes Geheimnis …
Es ist eine Familiengeschichte über mehrere Generationen, die Leila Meacham mit leichter Hand erzählt, mit starken Charakteren und reichlich, aber nie zu viel, Gefühl. Genau das Richtige für ein verregnetes Wochenende.
Leila Meacham: „Die Erben von Somerset",
Goldmann Verlag, € 9,99, eBook € 8,99
„Eine Kleinstadt sieht von außen ganz süß aus.
Aber nicht, wenn du da aufgewachsen bist, nicht, wenn alle über dich Bescheid wissen."
Georgia ist Anfang dreißig und DIE Südstaatenschönheit - blond, schlank, strahlendes Lächeln, liebenswertes, hilfsbereites, fröhliche Wesen. Allerdings hat Georgia ein Geheimnis: an sechs Tagen die Woche kommen sechs Männer, allesamt wichtige Männer der Stadt, abends zu ihr und lassen sich verwöhnen. Keiner weiß vom anderen, Georgia ist sehr diskret. Außerdem ist sie vom Goodwill und dem Geld „ihrer" Männer abhängig, das Familienvermögen ist schon lange aufgebraucht. Leider bekommt ihr Samstagabendtermin, Pastor Eugene Brendix eines Tages so große Schuldgefühle, dass er seiner Frau alles beichtet. Und dann kommt auch noch Georgias unehelicher Sohn zu Gast, von dem niemand wusste …
Mit spitzer Feder und einer gehörigen Portion Humor beschreibt Mark Childress das offensichtliche – und verborgene – Leben im kleinen Six Points, Alabama: das ist Lesevergnügen mit doppeltem Boden.
Mark Childress: „Haben Sie das von Georgia gehört?",
Goldmann Verlag, € 8,99, eBook € 7,99