Belletristik Lieblinge in 2015 - 2014 - Buchhandlung und Verlag Bornhofen in Gernsheim am Rhein

Homesymbol

Öffnungszeiten: DI-FR 09:00 - 12:30 | MO-FR 14:00 - 18:30 | SA 09:00 - 13:00 | FON 06258 4242 | FAX 06258 51777 | MESSENGER 0170 234 2006Nutzen Sie unseren Lieferservice und "enttummeln" Sie den Laden. Wir liefern aktuell Di, Do und Sa zu Ihnen nach Hause - sprechen Sie uns an.

Kopfzeilesymbole
Newsletter     Hilfe        tolino Webreader         Öffnungszeiten          Wunschliste           Login / Mein Konto
Stickyhomesymbol
Direkt zum Seiteninhalt
unsere Belletristik-Lieblinge in 2015:
London, November 2008


Chani Kaufman hat sieben Schwestern, ihre Eltern werden, auch weil diese alle respektabel verheiratet werden müssen, wohl nie auf einen grünen Zweig kommen. Baruch Levy hingegen stammt aus reichem Elternhaus – und dass sie einander das Ja-Wort geben wollen, haben sie traditionell beim dritten Treffen entscheiden müssen. Denn so ist das in der jüdisch-orthodoxen Gemeinde, der die Eltern angehören, auch noch im 21. Jahrhundert. Auch die Lebenswege sind vorgeschrieben: Baruch widmet sich dem Studium der Schriften und will Rabbiner werden, Chani hingegen wird sich um die Familie, den Haushalt und vielleicht auch den Gelderwerb kümmern. Denn so ist das nun mal. Und doch ist es anders, denn Chani ist eine eigenwillige junge Frau und auch Baruch will ein wenig anders leben als seine Eltern. Auch die Rebbetzin, die Chani in die Pflichten des Ehelebens einweist und ihr Mann, der Rabbi, der sich in seinen Glauben hinein aufzulösen scheint, haben viel Raum: ihre Geschichte ist gleichzeitig Basis und Gegenpol für die zarte Romanze von Chani und Baruch.
 
Die Autorin Eve Harris erzählt von einer ganz eigenen Welt, sie beschreibt sie mit großer Genauigkeit sowie hintergründigem Witz und viel Empathie für ihre Figuren. 450 Seiten Leseglück.
 
Eve Harris: „Die Hochzeit der Chani Kaufman“, Diogenes Verlag, € 16,00, eBook € 13,99
Ein Roadtrip?


Inhalt: 
Etta ist fast 83 und hat noch nie das Meer gesehen. In den Wirren des zweiten Weltkrieges war sie als blutjunge Lehrerin, kaum älter als ein Teil der Schüler, in ein kleines, staubiges Dorf inmitten großer Felder gekommen. Sie hatte sich verliebt – in Russell oder in Otto? – hatte geheiratet und war geblieben. Nun, am Ende ihres Lebens, sie weiß manchmal gar nicht mehr, wer sie ist, macht sie sich die mehr als dreitausend Kilometer gen Westen auf den Weg. Unbeirrbar. Wie lebt es sich unterwegs? Wie als Zuhausegebliebener? Und: muss man wirklich tun, was man tun muss?

Warum hören? 
Emma Hooper erzählt die Lebensgeschichten der drei Freunde (und das sind sie ihr Leben lang gewesen) mit viel Gefühl und doch ohne den geringsten Kitsch. Die vielen Perspektivwechsel, mal in der Zeit, mal zwischen den Hauptpersonen, zwingen uns Leser und Hörer zum Mitdenken – nicht nur über Liebe und Tod, sondern auch über Krieg und Freundschaft. Davon abgesehen: Die Sprecher sind Katharina Thalbach und Walter Kreye!
 
Emma Hooper: „Etta und Otto und Russell und James.“, Verlag Droemer, HC € 19,99, eBook € 17,99, Hörbuch € 19,99   
Liebesroman

 
Inhalt: 
Jeff und Claire sind ein Paar, seit Jahren und mit allen Höhen und Tiefen, es ist immer noch und immer wieder ihre große Liebe, die sie verbindet. Ihre Liebe und der zwölfjährige Seth, ihr Sohn. Tish, Jeffs Arbeitskollegin, hingegen ist alleinstehend und damit eigentlich ganz zufrieden. Allerdings scheint sich eine Veränderung abzuzeichnen – oder warum ist der plötzliche Unfalltod Jeffs für sie genauso erschütternd wie für Claire?

Warum lesen? 
Catherine McKenzie arbeitet in ihrem „richtigen“ Leben als Familienanwältin. Vielleicht ist sie es deshalb gewohnt, völlig unterschiedliche Positionen einzunehmen und dabei die jeweiligen Beweggründe sehr klar und doch mitfühlend darzustellen. Davon abgesehen kann sie auch ausgesprochen spannend erzählen …
 
Catherine McKenzie: „Letzte Nacht“, Heyne Verlag, € 12,99, eBook € 9,99
 
Kurz und köstlich
 

Inhalt: 
Wenn nichts mehr hilft, dann hilft Laphroaig.“: so endet eine der Geschichten dieser Anthologie. Auch wenn es natürlich nicht ganz so ist – Whisky, besonders der gute schottische Single Malt, spielt durchgehend eine wichtige Rolle in diesem Buch. 24 ganz unterschiedliche Erzählungen haben die Herausgeberinnen Karen Grol und Angelika Brox in sechs reizende Themengruppen eingeteilt, die so herrliche Titel tragen wie „Whisky birgt Erinnerungen“ oder „Whisky hütet Geheimnisse“.

Warum lesen? 
Kurzgeschichten haben ja stets den Vorteil, dass man sie schön „zwischen rein“ lesen kann – wenn nicht genug Zeit für einen ganzen Roman ist oder einem nicht der Sinn danach steht. Wenn eine Anthologie gut zusammengestellt ist, sind die Geschichten völlig unterschiedlich, aber alle lesenswert und überraschend. Literarisch ist im Zusammenhang mit diesem Buch zwar ein bisschen hochgegriffen, aber wirklich gute Unterhaltung bietet es sehr wohl.
 
„Aqua Vitae – Ein literarisches Whisky-Tasting.“, Verlag stories & friends, € 17,90, eBook € 9,99  
Familienroman
 

Inhalt: 
Salim ist sieben Jahre alt, als er mit seiner Familie aus Jaffa fliehen muss, weil der Palästinakrieg seine Heimatstadt erreicht hat. Begreifen kann er das nicht – bisher hatten die englischen Kolonialherren das Zusammenleben geregelt und es war ziemlich gleichgültig, ob man Palästinenser wie er selbst oder Jude war. Judit hingegen ist die Tochter von Holocaust-Überlebenden. Die beiden lernen sich in London kennen und lieben, die gemeinsamen Zwillinge machen das Glück perfekt. Doch Salim ist ein Getriebener: ständig auf der Suche nach Heimat und väterlicher Anerkennung. Seine Sehnsucht nach dem Haus seiner Kindheit macht ihn blind für die Sorgen und Nöte seiner Lieben und stellt sie vor eine Zerreißprobe …

Warum lesen? 
Claire Hajaj, Tochter einer jüdischen Mutter und eines palästinensischen Vaters, weiß sehr genau um die Traumata beider Bevölkerungsgruppen. Ihr Buch ist außergewöhnlich – nicht nur, weil sie ihre Geschichte über sechs Jahrzehnte und drei Generationen hinweg erzählt. Sondern auch, weil sie, ohne zu werten, differenziert und warmherzig jedem ihrer Protagonisten eine eigene Stimme gibt.
 
Claire Hajaj: „Ismaels Orangen“, 
Blanvalet Verlag, HC € 19,99, eBook € 15,99, Hörbuch € 19,99 

Die Seele bleibt und die Liebe auch …
 

Alice Howland ist fünfzig, Professorin für Psychologie in Harvard und Mutter von drei erwachsenen Kindern, mit Ehemann John führt sie eine etwas in die Jahre gekommene Ehe. Man kennt und versteht sich, meistens, doch wirkliche Nähe steht nicht mehr auf dem Programm. Darum liegt es Alice fern, ihm zu erzählen, was sie bedrückt: die kleinen Vergesslichkeiten, die fehlenden Worte, ihre Orientierungslosigkeit an Orten, die sie seit 25 Jahren kennt. Lieber geht sie zu dem von ihrer Ärztin empfohlenen Neurologen, er wird eine Lösung der Probleme finden. Doch leider ist dem nicht so – Alice hat Alzheimer und muss erleben und ertragen, dass sie ihre Erinnerungen und sich selbst verliert.
Lisa Genovas Hauptfigur Alice ist auf eine kühle Art sehr sympathisch, sie wendet ihre berufliche Vorgehensweise der analytischen Beobachtung auch auf ihre Krankheit an. Dadurch sind wir Leser unglaublich dicht an ihrer Persönlichkeit und deren Veränderungen – und das ist anrührend und lohnend zu lesen.
 
Lisa Genova: „Still Alice – Mein Leben ohne gestern“, Bastei Lübbe, € 8,99, eBook € 7,49 
 
Ein ungewöhnliches Debüt!
 

Nathan Filer arbeitete jahrelang als Krankenpfleger in einer psychiatrischen Anstalt: er hat dort wohl sehr genau hingesehen und hingehört, hat sich mit den Kranken intensiv beschäftigt und sich mit den Strukturen des Kliniklebens auseinandergesetzt. Dieser Aspekt seines Debüts ist sicherlich hochinteressant. Einzigartig ist das Buch jedoch, weil Filer das Leben des hochintelligenten und psychisch kranken Matthew erzählt, ohne ihn klein zu machen. Er berichtet von Matts Höhen und Tiefen, vom Leben mit der Krankheit, vom auslösenden Faktor – dennoch ist seine Hautperson, die auch noch in der Ich-Form erzählt, völlig nachvollziehbar und „normal“ in seinen Handlungen und Reaktionen. Matt ist als Opfer überhaupt nicht geeignet, das macht den Roman unbedingt lesenswert. Auch schon für Jugendliche.
Und die Handlung? Matt ist 18 und Besucher einer Tagesklinik, als er beginnt, sein Leben schriftlich zu reflektieren. Er beginnt mit einem Urlaubstag am Meer vor rund neun Jahren, als er beobachtete, wie ein kleines Mädchen seine Puppe beerdigte. Wenige Tage darauf stirbt sein älterer Bruder Simon – und Matts Leben im Ausnahmezustand beginnt …
 
Nathan Filer: „Nachruf auf den Mond.“, Verlag Droemer, € 19,99, eBook € 17,99, Hörbuch € 19,99

Was ist rechtens? Und ist es auch richtig?
 

Jack Maye, Professor für Geschichte, erbittet von seiner Frau die Zustimmung zu einer außerehelichen Affäre. Nicht Mangel an Liebe wäre der Grund – nach wie vor ist sie die Frau seines Lebens –, sondern Mangel an Sex und Leidenschaft. Und damit verschwindet er für zwei Tage aus ihrem Leben. Seine Frau Fiona, Familienrichterin mit großer Hingabe und randvollem Terminkalender, zweifelt an ihrem Leben, ihrem Beruf und der Kinderlosigkeit. In diesen beiden Tagen muss sie außerdem in einem Eilverfahren entscheiden, ob der junge Adam Henry gegen seinen und der Eltern Willen eine lebensrettende Bluttransfusion bekommen soll, die gegen Regeln ihrer Glaubensgemeinschaft verstößt.
Ian McEwan hat mit Fiona Maye eine Hauptperson entwickelt, die einerseits sehr gefühlvoll ist, andererseits so reflektiert, dass man als Leser jederzeit alles Für und Wider ihrer Überlegungen nachvollziehen kann. Und er erzählt die große Geschichte und die vielen Nebengeschichten so außerordentlich, dass einen der Roman lange nicht los lässt.
 
Ian McEwan: „Kindeswohl.“, Diogenes Verlag, € 21,90, eBook € 19,99, Hörbuch € 24,90   

Herzen wohin man sieht …
 

Wir fanden, es ist einfach eine schöne Idee, das Jahr 2015 mit ganz viel Herz(en) zu beginnen: im Bildband „See a heart – share a heart“ sind mehr als zweihundert Fotos versammelt, alle völlig unterschiedlich und doch alle mit immer dem gleichen Motiv – mit dem titelgebenden Herz. Eric Telchin fand durch Zufall zu seinem Lieblingsobjekt; bei einer Abschiedsfeier hatte ein Schokoladeneisfleck diese Form und von da an sah und fotografierte er Herzen in allen Größen, Formen und Farben. Irgendwann begann er, sie auf einer Homepage zu veröffentlichen, mittlerweile schicken ihm Menschen aus der ganzen Welt zur Ergänzung derselben ihre Fundstücke zu. Er bearbeitet die Fotos der Herzen nie nachträglich, weil sie ihm genauso gefallen, wie sie sind. Sein Buch finden wir, Seite für Seite, richtig schön!
Man könnte es übrigens auch als Sehschule nehmen: was sehen Sie denn überall? Vielleicht Gesichter?
 
Eric Telchin: „See a heart – share a heart.“ Pattloch Verlag, € 12,99  

Vier Wochen Zeitungsaustragen
 
Eigentlich kein großes Ding: ein Sommer in den fünfziger Jahren, ein Freund, der bei den Großeltern auf der Farm ist – und Victor, der seine Zeitungen übernimmt. Dabei kann er seine Wurftechnik verbessern, er ist sowieso schon der beste Werfer in der Stadt. Nur vor Freitag hat er Angst. Denn da muss er das Geld einsammeln. Und Victor stottert so schlimm, dass er manchmal keine zwei Worte nacheinander setzen kann. Doch auch er wächst mit seinen Aufgaben. Und lernt auf seiner Tour Menschen kennen, die ihn gleichermaßen begeistern wie ängstigen … Am Ende des Sommers ist Victor ein anderer.
Vince Vawter hat mit „Wörter auf Papier“ die Kindheit eines Außenseiters beschrieben, so wundersam und detailreich, so lebensfroh und außergewöhnlich, dass man jede Seite gerne liest. Auch schon als Jugendlicher.
 
Vince Vawter: „Wörter auf Papier“, Königskinder Verlag, € 16,90, eBook € 11,99

Zwei Leben, eine Geschichte
 
Zumindest annähernd … Die 16jährige Molly muss wieder einmal fürchten, nicht bei den Pflegeeltern bleiben zu können. Auch wenn sie es sich selbst zuzuschreiben hat – warum hat sie auch den Jane-Austen-Roman mitgehen lassen! – ist das nicht leicht zu ertragen. Durch die Überredungskünste ihres Freundes Jack bekommt sie eine ungewöhnliche Chance, statt Jugendknast soll sie 50 Stunden Sozialdienst bei einer alten Dame leisten und deren Speicher aufräumen. Tatsächlich ist die 91jährige Vivian ganz anders, als Molly erwartet: sehr direkt, einerseits freundlich andererseits unbeirrbar. Und eigentlich braucht sie Molly weniger zum Aufräumen als zum Sortieren, denn in den vielen Kisten steckt ein ganzes Leben voller Erinnerungen. Und die beginnen mit dem „Zug der Waisen“, den sie als 9jährige Waise in eine ungewisse Zukunft nehmen musste.
Christina Baker Klines Roman spielt auf zwei Zeitebenen, er erzählt Vivians Geschichte ab 1929, eingebettet in Mollys Leben von heute. Das ist einerseits hoch interessant (die Geschichte der „Orphan Trains“ ist weder rühmlich noch bekannt) und andererseits sehr anrührend; obwohl die Autorin gerade nicht auf die Tränendrüse drückt, ist man mit dem Herzen stets bei den beiden Hauptpersonen. Wunderbar!
 
Christina Baker Kline: „Der Zug der Waisen“, Goldmann Verlag

 
Lesen und (vor)lesen lassen
 
Mögen Sie Eulen? Im Augenblick gibt es sie ja an „jeder Ecke“, und wir Gernsheimer sind da sowieso leicht zu überzeugen. David Sedaris hat vor Jahren in einem unbedachten Augenblick mal gesagt, dass er Eulen sehr mag – und schon flogen sie ihm zu, als Untersetzer und Serviette, gehäkelt und gemalt. Das ist eigentlich nicht weiter bemerkenswert, wenn Sedaris daraus nicht eine seiner Kurzgeschichten gewoben hätte; mitten aus dem Leben gegriffen schreibt er und steht doch auf eigentümliche und sehr komische Weise über den Dingen. Dabei schont er sich selbst nicht, seine Figuren sind oft genug biografisch und was er erlebt ist keineswegs immer aus sich selbst heraus unterhaltsam. Seine Geschichten sind es, bei aller Tragik, aber in jedem Fall.
 
David Sedaris: „Sprechen wir über Eulen – und Diabetes“, Goldmann Verlag

unsere Belletristik-Lieblinge in 2014:
Von 12 bis 99
 
Für dieses Alter empfehlen die Menschen des gerade gegründeten Königskinderverlages Andreas Steinhöfels wunderbares neues Buch: es ist ein großer kleiner Roman über Schuld und Sühne und über Liebe und Freundschaft.
Es ist ein tragischer Tag im Leben von Felix Winter, dabei hätte es ein Freudentag werden sollen: an seinem 12. Geburtstag passiert ein Unfall und als Felix im Krankenhaus endlich wieder erwacht, hat er keine Erinnerung mehr an sein bisheriges Leben. Als er nach etlichen Wochen wieder nach Hause kommt, ist er nicht mehr der brave, lernwillige Felix – zum völligen Unverständnis seiner Mutter, für die das Leben durchgeplant sein muss. Dass er sich auch noch einen neuen Namen gibt („Anders“, so wie er sich nun mal fühlt), macht sie richtiggehend wütend. Und dass es ein Geheimnis in den letzten Wochen seines „normalen“ Lebens gegeben haben soll, nicht minder. Genau um dieses Geheimnis sorgen sich jedoch zwei andere: was passiert, sollte Anders sich jemals erinnern?
 
Andreas Steinhöfel: „Anders“, Königskinder Verlag, € 16,90, eBook € 11,99
 
Von 12 bis 99
 
Für dieses Alter empfehlen die Menschen des gerade gegründeten Königskinderverlages Andreas Steinhöfels wunderbares neues Buch: es ist ein großer kleiner Roman über Schuld und Sühne und über Liebe und Freundschaft.
Es ist ein tragischer Tag im Leben von Felix Winter, dabei hätte es ein Freudentag werden sollen: an seinem 12. Geburtstag passiert ein Unfall und als Felix im Krankenhaus endlich wieder erwacht, hat er keine Erinnerung mehr an sein bisheriges Leben. Als er nach etlichen Wochen wieder nach Hause kommt, ist er nicht mehr der brave, lernwillige Felix – zum völligen Unverständnis seiner Mutter, für die das Leben durchgeplant sein muss. Dass er sich auch noch einen neuen Namen gibt („Anders“, so wie er sich nun mal fühlt), macht sie richtiggehend wütend. Und dass es ein Geheimnis in den letzten Wochen seines „normalen“ Lebens gegeben haben soll, nicht minder. Genau um dieses Geheimnis sorgen sich jedoch zwei andere: was passiert, sollte Anders sich jemals erinnern?
 
Andreas Steinhöfel: „Anders“, Königskinder Verlag, € 16,90, eBook € 11,99,  JUG BEL
 

Kein Kriminalroman.

Denkt man an Georges Simenon ist man automatisch im Paris der 30er bis 50er Jahre. Dabei hat dieser grandiose, vielschreibende Autor außer seinen Krimis, in denen der Pariser Kommissar Maigret ermittelt, noch eine ganze Menge anderer Romane verfasst. Allesamt eher schmal; aber alle mit sehr großem Gespür für Menschen und ihre Nöte, atmosphärisch dicht und mit kritischem Blick auf die soziale Lage - und alle im typisch lakonischen Simenon-Tonfall geschrieben.
Marie Le Flem ist 17 Jahre alt, als sie Waise wird. Ihre jüngeren Geschwister kommen bei Verwandten unter, sie selbst wagt die Selbständigkeit. Zur Beerdigung des Vaters kommt auch die ältere Schwester Odile, gemeinsam mit ihrem Liebhaber, dem reichen Henry Chatelard.
Am gleichen Tag ersteigert Chatelard eine Schiffsruine – in den darauffolgenden Wochen verbringt er mehr und mehr Zeit bei deren Renovierung. Immer in der Nähe der stolzen, unnahbaren Marie …  
George Simenon: „Die Marie vom Hafen.",
Diogenes Verlag, € 9,00, eBook € 7,99


Sieben Jahre …

Im Oktober 1931 lernt die zurückhaltende Lily Dane den Footballspieler Nick Greenwald kennen – es ist Liebe auf den ersten Blick. Allerdings zögert Lily, Nick ihrer Familie vorzustellen, denn Nick ist jüdischer Abstammung und damit eindeutig nicht standesgemäß. Ihre Befürchtungen bewahrheiten sich und in der Hitze der Emotionen brennen die beiden durch. Sieben Jahre später ist Lily zurück bei ihrer Familie und kümmert sich liebevoll um die jüngere Schwester Kiki, da treffen sich die beiden im Ferienort Seaview vor der Küste New Yorks unter den denkbar schlechtesten Voraussetzungen: Nick hat mittlerweile Budgie geheiratet, Lilys mondäne Freundin aus Kindertagen …
Wir Leser erfahren Puzzleteil für Puzzleteil was 1931 und 1938 geschah, mit immer überraschenden Wendungen. Lily Dane als Ich-Erzählerin ist einerseits sehr gefühlvoll und andererseits ausgesprochen pragmatisch – und das ist eine wirklich interessante und lesenswerte Mischung.
Beatriz Williams: „Im Herzen des Sturms",
blanvalet Verlag, € 9,99, eBook € 8,99  

Ein Bruder im Geiste von Helen Fielding und Nick Hornby.

Das zumindest sagt Angela Wittmann, die in der Zeitung „Brigitte" für die Buchempfehlungen zuständig ist. Das finden wir auch: in Stephan Bartels Roman „Dicke Freunde" vereinen sich Witz und Herzenswärme mit einer Geschichte, die eigentlich jedem passieren könnte.
Seine Katja überraschen und mit ihr einen langen, schönen Abend verbringen, so hat sich Simon Havlicek seinen Geburtstag vorgestellt. Allerdings findet er nicht nur sie, sondern auch den italienischen Paketboten in ihrem Büro, in eindeutiger Pose. Katjas Ausrede ist ziemlich heftig: Simon hätte in den letzten fünf Jahren soviel zugenommen, dass er sich nicht wundern dürfe, wenn sie sich für andere Männer interessiere! Statt nachzugeben, wie üblich, verschwindet Simon vorerst aus Katjas Leben. Und findet Unterschlupf bei seinem Arbeitskollegen Hotte, der nicht nur eine große Wohnung, sondern auch einige Pfunde zu viel hat. Gemeinsam arbeiten sie am Wunschgewicht – und erkunden den Weg zum Glück.
Stephan Bartels: „Dicke Freunde", Heyne Verlag, € 9,99, eBook € 8,99   

Verflucht.

Sie sind verflucht, die Frauen des Laguna-Clans, schon seit langer Zeit. Wenn sie sich einem Mann in Liebe hingeben, endet das immer im Unglück – zumindest dem eigenen, der Liebeskummer ist wie ein starker Schmerz. Meist auch im Unglück des Liebsten, so mancher soll schon den Tod gefunden haben. Clara Laguna glaubt nicht daran, bis sie sich in einen Grundbesitzer aus Andalusien verliebt. Und er sie zwar wohlversorgt, aber unverheiratet und schwanger zurücklässt. Aus Rache macht sie aus dem ihr zum Geschenk gemachten Landsitz ein Bordell, und gibt das Wissen um den Fluch an ihre Tochter Manuela – Laguna-Frauen bekommen nur Töchter – weiter …
Claras Geschichte ist nur ein kleiner Teil des Romans, die Autorin Cristina López Barrio spinnt den Erzählfaden, mystisch und mit ganz eigenem Sog, noch drei Generationen weiter. Ihre Personen sind gefangen zwischen der Liebe, dem Fluch und den Konventionen, auch wenn sie alles daran setzen, dem zu entgehen.
Cristina López Barrio: „Das Geheimnis der roten Villa.",
Knaur Verlag, € 9,99 eBook € 9,99     


Meistens nicht lustig und manchmal ohne Vampire

Wir haben die Überschrift sehr bewusst gewählt, denn Titel und Optik dieser Anthologie sagen eigentlich „Vampire" und „Humor". Beides kommt vor – allerdings eben nicht in jeder der 14 Kurzgeschichten. Geschichten die ein breites Spektrum bieten: da finden Tara und Sam beim Renovieren einen blutigen Hammer, und weil danach eine unendlich üble Stimmung im Hause herrscht, bleibt ihnen nichts anders übrig, als eine alte Geschichte zu ergründen. In einer anderen Story kaufen vier Freunde ein Haus, wollen nur ein paar Tage dort bleiben, und es kommt ganz anders. Und in einer Geschichte hat die Errichtung eines neuen Zaunes, bzw. eigentlich die Ankündigung desselben, ungeahnte Folgen …
Gruselig sind sie alle, mal mehr, mal weniger. Und gute bis beste Unterhaltung bieten sie auch!
Harris / Kelner: „Heimwerken für Vampire", DTV, € 9,95, eBook € 8,99



Schon der Titel macht Laune

„Die schlimme Zeit zwischen Aufstehen und Hinlegen" – dem kann man ja nur zustimmen, im Bett ist die Chance auf Ruhe und Entspannung nun mal am Größten. Die Kurzgeschichten dieser Anthologie nehmen denn auch die Tücken des Alltags genauer unter die Lupe. Da beschreibt Mario Barth die unerquicklichen Telefonate mit Schwägerin und Nichte (und das ist, auch wenn man Barth eher nicht mag, sehr unterhaltsam zu lesen), Hans Rath muss sich zwischen seinem Sicherheitsbedürfniss und neuer Kleidung für die Ehefrau entscheiden und Mia Morgowskis Protagonist möchte aus Serbien ausgebürgert werden: all das klingt ja nicht unbedingt unterhaltsam. Ist es aber. Und vielfältig, teilweise skurril und manchmal viel zu lebensnah.

Goosen / Morgowski / Sachau: „Die schlimme Zeit zwischen Aufstehen und Hinlegen." Rowohlt Verlag, € 8,99   

Schnell noch lesen …

… bevor Sie im Juni den Film sehen: John Greens „Das Schicksal ist ein mieser Verräter", als gebundenes Buch fast zwei Jahre auf der Bestsellerliste, liegt seit ein paar Tagen als Taschenbuch vor. Und schnell werden Sie sein, denn man kann und will diese berührend-poetisch-aufregende Liebesgeschichte nicht aus der Hand legen, bevor man die letzte Seite gelesen hat:
Hazel ist sechzehn und hat Krebs. Bereits vor drei Jahren haben ihre Eltern sie aus der Schule genommen, weil ihr die Ärzte nur noch wenige Monate gaben; doch ein neues Medikament hält seitdem den Krebs in Schach. Und sie selbst hält ihre Ängste mit Lakonie und Mut in Schach („‘Ohne Leid würden wir nicht wissen, was Freude ist.‘ Dabei finde ich, dass die Existenz von Brokkoli auch keinen Einfluss auf den Geschmack von Schokolade hat."). Bis eines Tages August Waters in der Selbsthilfegruppe auftaucht, die ihre Mutter ihr aufgezwungen hat. Und bis sich die beiden auf die Suche nach Hazels Lieblingsschriftsteller begeben …

John Green: „Das Schicksal ist ein mieser Verräter.", dtv, € 9,95

Der Liebe wegen.

Einerseits fällt es Jan Maischkat leicht, nach Wolfsburg zu ziehen, mit seiner Liebsten Line hat er ein Haus gemietet. Andererseits: wie wird das werden, eine Großstadtpflanze, an das umtriebige Berlin gewöhnt, in so einem Provinznest? Tatsächlich geht es erst mal ganz gut, es ist Sommer, alles grün, das Leben schön, Jan knüpft lose Freundschaften mit Feuerwehrmann Steffen und Pfleger Bert. Mit den eisigen Herbstwinden aber kommt die Verzweiflung und Jan verlässt sein Arbeitszimmer nur noch für die nötigsten Dinge – was soll er denn hier auch machen, es gibt nicht einmal ein Café!
In flapsiger Sprache erzählt Tom Grote vom entscheidenden Jahr in Jan Maischkats Leben: bleiben oder gehen? Selbstmitleid oder zupackendes Handeln? Freundschaft oder Einzelgängertum? Das ist unterhaltsam zu lesen und hat doch einigen Tiefgang. Und Jan als Hauptfigur wächst uns Lesern, gerade weil er sich meist nicht so ernst nimmt, schon sehr ans Herz.
Tom Grote: „Wolfsburg! Ein Liebesroman",
Verlag Knaus & Ko, € 14,99, eBook € 11,99


Vorsicht, Satire.

Als das Altsprachliche Gymnasium in den 70er Jahren ein neues Gebäude bekam, wurde es aufs Feinste ausgestattet. Heute reichen die wenigen zur Verfügung stehenden Mittel nur aus, dem Verfall zu trotzen. Genau so fühlt sich auch Lehrer Philipp Wilms: vor vielen Jahren hoffte er, mit Engagement und neuen Ideen die Schüler zu begeistern. Heute ist er froh über jeden Ferientag und will außer mit Kollegin Gesine eigentlich mit niemandem zu tun haben. Auch nicht mit den Schülern. Das ändert sich, als nach den Weihnachtsferien die bildhübsche Referendarin Miriam Falter ins Kollegium kommt – und Wilms nahezu gleichzeitig, statt wie erwartetet befördert zu werden, den verhassten Kollegen Ramcke auf dem Posten des Fachleiters vorfindet. Bald wirbt Wilms um Miriam Falters Liebe; gleichzeitig macht er Ramcke das Leben schwer, wo immer es geht. Das alles könnte ja noch gut gehen. Aber leider gibt es an diesem Gymnasium noch den verrückten Lehrer Karst und ein Projekt zur Integration schwieriger Jugendlicher durch engen Täter-Opfer-Kontakt.
Reichlich skurril und köstlich zu lesen – und hoffentlich Satire und keine Wahrheit ...
Michael Marten: „Drei Klausuren und ein Todesfall.",
Aufbau Verlag, € 8,99, eBook € 6,99


Über drei Generationen.

Mary Toliver DuMont ist 85, unheilbar krank - und ändert von heute auf morgen ihr Testament. Nun soll Somerset, die Baumwollplantage, der Mary ihr ganzes Leben gewidmet hat, nicht mehr an ihre Großnichte Rachel gehen, obwohl diese fest mit dem Erbe rechnet. Sondern an ihren guten Freund Percy Warwick, der ein reicher Holzhändler und zudem nicht jünger als Mary ist. Als Rachel davon erfährt, setzt sie alle Hebel in Bewegung, das Testament anzufechten. Erst als es fast zu spät ist, ergründet sie Marys großes Geheimnis …
Es ist eine Familiengeschichte über mehrere Generationen, die Leila Meacham mit leichter Hand erzählt, mit starken Charakteren und reichlich, aber nie zu viel, Gefühl. Genau das Richtige für ein verregnetes Wochenende.
Leila Meacham: „Die Erben von Somerset",
Goldmann Verlag, € 9,99, eBook € 8,99  

„Eine Kleinstadt sieht von außen ganz süß aus.

Aber nicht, wenn du da aufgewachsen bist, nicht, wenn alle über dich Bescheid wissen."
Georgia ist Anfang dreißig und DIE Südstaatenschönheit - blond, schlank, strahlendes Lächeln, liebenswertes, hilfsbereites, fröhliche Wesen. Allerdings hat Georgia ein Geheimnis: an sechs Tagen die Woche kommen sechs Männer, allesamt wichtige Männer der Stadt, abends zu ihr und lassen sich verwöhnen. Keiner weiß vom anderen, Georgia ist sehr diskret. Außerdem ist sie vom Goodwill und dem Geld „ihrer" Männer abhängig, das Familienvermögen ist schon lange aufgebraucht. Leider bekommt ihr Samstagabendtermin, Pastor Eugene Brendix eines Tages so große Schuldgefühle, dass er seiner Frau alles beichtet. Und dann kommt auch noch Georgias unehelicher Sohn zu Gast, von dem niemand wusste …
Mit spitzer Feder und einer gehörigen Portion Humor beschreibt Mark Childress das offensichtliche – und verborgene – Leben im kleinen Six Points, Alabama: das ist Lesevergnügen mit doppeltem Boden.
Mark Childress: „Haben Sie das von Georgia gehört?",
Goldmann Verlag, € 8,99, eBook € 7,99

Zurück zum Seiteninhalt