Belletristik Lieblinge in 2025 - 2024 - Buchhandlung und Verlag Bornhofen in Gernsheim am Rhein

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unsere Belletristik-Lieblinge in 2024:
Marie Darrieussecq: Das Meer von unten

Was bedeuten die Geräusche und die Unruhe auf dem Schiff? Es braucht einige Zeit, bis Rose klar wird, dass die Mannschaft sich um ein Boot mit Flüchtlingen kümmert. Mittendrin ein Junge mit intensivem Blick, Rose ist klar, sie muss ihm helfen. Also holt sie das Mobiltelefon ihres Sohnes und ein paar Kleidungsstücke und überreicht alles Younès. Dann muss sie nach ihren Kindern sehen – und Younès wird zusammen mit den anderen Bootsflüchtlingen an die Polizei übergeben. Zurück in Paris, in ihrem Job als Therapeutin, in ihrer Ehe mit einem Mann, der Wein deutlich zu sehr zugeneigt ist. Irgendwann beginnen Younès Anrufe, sie ist ja als Kontakt gespeichert. Und irgendwann kommt er nach Paris …

Marie Darrieussecq lotet sehr genau aus, was es bedeutet, bedeuten kann, ein guter und hilfsbereiter Mensch zu sein. Ihre Rose ist keineswegs mit wehenden Fahnen eine Retterin – aber sie ist eben auch keine, die wegschaut. Sie steckt in dem Zwiespalt, das beste für die eigene Familie zu wollen und gleichzeitig Verantwortung gegenüber Younès zu verspüren. Sie weiß, dass sie nicht beidem gleichzeitig Rechnung tragen kann und sucht trotzdem nach Mitteln und Wegen. Das ist unglaublich klug gemacht und man kommt gar nicht umhin, sich selbst in diese Situation hineinzudenken. Dieser Roman ist ein einziger, sehr gut geschriebener Denkanstoß.

Secession Verlag, Übersetzung: Patricia Klobusicky, 978-3-96639-084-2, € 25,00

Diane Broeckhoven: Ein Tag mit Herrn Jules

Seit Jules in Pension ist, kocht er morgens den Kaffee und Alice wartet derweil in der wohligen Wärme ihres Bettes. Sonst überlässt er den Haushalt gerne ihr, und diese Minuten seines Kümmerns genießt sie sehr. An diesem Morgen sitzt er als sie aufsteht auf der Couch und scheint die Schneelandschaft vor dem Fenster zu genießen. Sie setzt sich neben ihn und legt den Kopf auf seine Schulter – und merkt erst nach einiger Zeit, dass kein Leben mehr in ihm steckt. Der Schreck ist (noch) nicht allzu groß; sie weiß recht schnell, dass sie sich noch nicht trennen, noch keinen Bestatter rufen möchte. Und so lässt sie Jules einfach sitzen. Während die Stunden ins Land gehen, überlässt sie sich den Erinnerungen, auch den weniger schönen …

Wenn die Vertreter*innen kommen, reden wir viel über Bücher, das liegt in der Natur der Sache. Dieses Buch hier hätte ich vermutlich nicht eingekauft – wenn Frau Hölzemann es mir nicht wärmstens ans Herz gelegt hätte, sie kennt es aus der Erstauflage (die war 2005!). Ich kann ihr nur absolut recht geben: „Ein Tag mit Herrn Jules“ ist ein wahrhaftiger und herzerwärmender Roman, dem ich sehr viele Leser*innen wünsche!

Unionsverlag, Übersetzung: Isabel Hessel, 978-3-293-71003-0, € 12,00

Christine Wolter: Die Alleinseglerin

Als Almut nach Jahren der Funkstille wieder mit ihrem Vater zu tun bekommt, hat er eine Hütte am See und ein Segelboot. Sie lernt segeln, tut sich schwer damit, aber es bedeutet immer auch, in seiner Nähe zu sein. Außerdem mag sie das Gefühl von Eigenständigkeit und Freiheit, auch wenn da immer Angst und Unvermögen mit im Boot ist. Als der Vater, der Käpt’n, den Drachen verkaufen will, kauft sie ihn auf Raten ab, nicht ahnend, dass ein Boot sehr viel mehr Kosten nach sich zieht, als es der eigentliche Kauf vermuten lässt. Sie beißt sich durch, mit Kind und oft ohne Partner, sie sucht Material und streicht wochenlang – und findet, zwischen allen Unbilden des Lebens, sich selbst.

Dieser Klassiker der DDR-Literatur mäandert durch die Zeiten; das führt zu ungewöhnlichen Blickwinkeln und Einsichten und macht diesen Roman ganz besonders reizvoll. Es geht natürlich nicht nur ums Segeln, gleichwohl die Beschreibungen dazu viel Raum einnehmen - sprachlich ist das wunderbar leicht und ganz ungewöhnlich. Und, obwohl schon über 50 Jahre alt: Christine Wolters Buch ist überhaupt nicht gealtert!

Nagel und Kimche, 978-3-312-01291-6, € 14,00

Charles Lewinsky: „Rauch und Schall“

Diesmal hatte die Reise nicht geholfen. Bisher war Goethe, wenn er nach Hause zurück kam, angefüllt mit Ideen und Geschichten, er liebte es, all das zu Papier zu bringen. Nur wer etwas erlebt, kann auch schreiben – davon war er fest überzeugt. Doch diesmal hatten die Wochen in der Schweiz nicht geholfen, er saß da, die Feder in der Hand, doch selbst wenn er schrieb, hielt das dem prüfenden Blick am Abend nicht stand. Und im Brief vom Hofmarschallamt war unmissverständlich ein Festgedicht zu Ehren der Herzogin angefordert worden, so bald als möglich. Nur: Goethe hatte wirklich keine Vorstellung, was er schreiben sollte! Christianes Vorschlag, ihren Bruder um Hilfe zu bitten, war eigentlich unter seiner Würde. Eigentlich …

Fast hätte ich das Buch direkt nach den ersten Sätzen wieder zur Seite gelegt: Goethes Hämorrhoiden, mit denen es beginnt, interessieren mich tatsächlich überhaupt nicht. Weil ich den Autor Charles Lewinsky sehr schätze, habe ich weitergelesen – und wurde postwendend belohnt. Die Mischung aus Fiktion und Wahrheit, die Lewinsky hier präsentiert, ist unterhaltsam und absolut interessant. Und sie ist, auch wenn er Goethe, seiner Geliebten Christiane Vulpius und deren Bruder Christian August Vulpius sehr nahekommt, nicht anbiedernd oder despektierlich. „Rauch und Schall“ ist ein großer Lesegenuss: Stilistisch schön, inhaltlich überraschend und genau richtig lang.

Diogenes Verlag, 978-3-257-07259-4, € 25,00

Sally Page: „Das Glück der Geschichtensammlerin“

Janice ist sich sicher – sie hat keine eigene Geschichte. Ja, sie ist verheiratet und hat einen Sohn. Und ja, ihren Job als Putzfrau scheint sie sehr gut zu erfüllen. Aber das reicht ja nicht! Was ihre Kundschaft erzählt - manches schön, manches traurig, alles wahr - sortiert sie und holt es hoch, wenn sie eine gute Erinnerung nötig hat. In ihrem Alltag gibt es genug Zeiten, in denen das der Fall ist.
Nicht nur wegen dieser Geschichten mag sie die Kundschaft wirklich sehr; alle, bis auf ein snobistisches Ehepaar. Eines Tages wird sie ausgerechnet von der Ehefrau gebeten, sich um die 92-jährige Schwiegermutter zu kümmern. Wie sich herausstellt, will Mrs. B eigentlich keine Hilfe haben – doch irgendetwas bei der zweiten Begegnung lässt Janice vermuten, dass sie irgendwie miteinander klarkommen werden. Bald ist nicht mehr ganz so sicher, wer hier eigentlich wem helfen muss …

Ja, Sally Pages Roman gefällt nicht auf Anhieb: Janice ist distanziert, die Gegenwartsform verstärkt das noch und überhaupt, was scheint das eigentlich für ein vorhersehbares Buch zu sein. Der zweite Blick hingegen überzeugt – denn Janice ist klug und hilfsbereit, reflektiert und zielorientiert. Und hat eben doch eine ganz eigene Geschichte, der sie sich aber erst annähern muss. Eine zarte Liebesgeschichte und überraschende Wendungen gibt’s obenauf: Mit der Geschichtensammlerin verbringt man sehr gerne einige Stunden auf der Couch!

Verlag dtv, Übersetzung Carolin Müller, 978-3423-21879-5, € 14,00

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