unsere Hörbuch-Empfehlungen in 2015:
Rose wohnt und arbeitet in Marseille und hat viel erlebt: den Genozid an den Armeniern Anfang des 20sten Jahrhunderts, den ersten und den zweiten Weltkrieg. Sie lebte in der Türkei, in Paris, China, Amerika und immer wieder Marseilles. Sie hätte gerne ein aktives Liebesleben und verbringt Zeit auf Singlebörsen. Und in ihrer Tasche steckt ein Colt direkt bei der Liste der „bösen Menschen“ …
Zeitlos.
Man weiß ja, was einen erwartet, wenn man den Namen Dieter Hildebrandt hört: politischer Sprachwitz vom Feinsten. Selbst wenn das Programm schon Jahre alt ist (in diesem Falle stammt es aus 2007) – man hört ihn und freut sich. Selbst wenn die Politiker und Manager heute andere Namen haben, die Wahrheiten hinter seinen Sprüchen sind gleich geblieben. Auf den beiden Vorsicht-Klassik-CDs brilliert er auch als Musikkenner, seine leicht schrägen Ansichten ergeben gemeinsam mit den Philharmonischen Cellisten Köln ein zutiefst kurzweiliges Programm. Allerdings liegt das auch an besagten Cellisten, die den festen Vorsatz haben, die klassische Musik zu entheiligen, produktiven Unfug in ernste Stücke zu mischen. Großes Hörvergnügen!
Dieter Hildebrandt und Werner Thomas-Mifune: „Vorsicht Klassik!",
Random House Audio, € 19,99
unsere Hörbuch-Empfehlungen in 2014:
Ein wichtiges Zeitzeugnis
„Ich habe mein ganzes Leben Glück gehabt." das sagte Arno Lustiger über sich. Ein Satz, der eigentlich nicht verständlich ist: Lustiger, 1924 im polnischen Bedzin geboren, ab August 1943 in den Arbeits- und Vernichtungslagern Hitlers interniert, hat die Jahre bis zum Sieg der Alliierten mehr tot als lebend hinter sich gebracht und fast die ganze Familie verloren. Trotzdem hat er den Lebensmut und den Glauben an die Menschen nicht verloren – das wird bei der Hörbuchaufnahme in der „Edition Zeugen einer Zeit" deutlich; unsentimental, mit ein wenig monotoner Stimme, dafür umso beeindruckender, berichtet er von seinem Leben. Nach dem Krieg blieb er in Frankfurt am Main, wurde Historiker und Buchautor, dessen Erlebnisse sich durch sein ganzes Werk ziehen.
„Man wollte das vergessen – das kann man nicht vergessen.", mit dieser Aussage schließt er sein Hörbuch ab. Die Zeit von 1933 bis 1945 DARF man nicht vergessen!
„Arno Lustiger erzählt aus seinem Leben: ich habe mein ganzes Leben Glück gehabt." Edition Zeugen einer Zeit, Aktives Museum Spiegelgasse, Wiesbaden, € 15,00
Die Technologie gibt es schon …
Marc Elsbergs „Zero" ist ein Zukunftsszenario, das so gar nicht zukünftig ist: dank Datensammelns und ausgefeilter Computerprogramme ist unser Verhalten in vielen Bereichen mit immer höherer Genauigkeit heute schon voraussagbar. Und wir alle stellen diese Daten mehr oder weniger freiwillig durch die Nutzung von Mobiltelefonen, Internet, Gesundheitsarmbänder, Datenbrillen und vielen anderen Technologien zur Verfügung. Marc Elsbergs Thriller, in dem die Journalistin Cynthia, die eigentlich „nur" den Tod eines Jungen recherchieren soll, selbst zur Gejagten wird, basiert auf diesen Datensammlungen und ebendieser Technologie – im Grunde könnte alles so geschehen. Wenn es Freemee, die Internetplattform, und ZERO den Online-Aktivisten gäbe.
Steffen Groth hat „Zero" mit großer Souveränität eingelesen, seine Stimme trägt die Spannung (und Elsbergs Thriller ist SEHR spannend!) bis zum Schluss.
Marc Elsberg: „ZERO. Sie wissen, was du tust.",
Random House Audio, € 19,99
Man kann das kaum erzählen.
Vier Kindern, die sie selbst kennt, gibt Kirsten Boie in ihrem schwierigsten Buch eine Stimme. Vier Kindern, die in Swasiland leben, einem kleinen Königreich in Afrika mit der höchsten Aidsrate weltweit. Da ist der elfjährige Thulani, der am liebsten Fußballspielen möchte, stattdessen aber für seine alte Gugu und die kleine Schwester sorgen muss. Und da ist Lungile, die irgendwie neue Schuhe besorgen muss, sonst kann Jabu nicht mehr zur Schule gehen – doch richtig arbeiten dürfen Kinder in Swasiland nicht, da bleibt ihr nur das eine, schreckliche. „Wenn die Geschichten traurig sind, kann ich es nicht ändern." schreibt Boie im Nachwort, „Trauriger als die Wirklichkeit sind sie nicht."
Boies Buch ist preisgekrönt, das Hörbuch dazu auch: hier ergänzen sehnsüchtig klingende afrikanische Lieder die Texte auf sehr besondere Weise.
Kirsten Boie: „Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen.",
GoyaLit, € 14,99
Ein neues Abenteuer für Seeräuber-Moses
Prinzessin Isadora ist gerade erst dabei, zu lernen, wie man sich als Prinzessin benehmen soll – sie war nämlich den Großteil ihres Kinderlebens als Schiffsjunge Moses auf der „Wüsten Walli" zur See gefahren und hatte gar nicht gewusst, dass sie ein Königskind ist. Dass sie eine Prinzessin ist, hatte sich erst herausgestellt, als der Blutrote Blutrubin gefunden worden war, mitsamt einer Prophezeiung, die genau auf Moses passte. Doch plötzlich steht der fiese Häuptling Ubbo Wutwalle im Thronsaal und behauptet, die Prophezeiung beträfe seine Tochter Folke! Als er den Rubin auf hinterlistige Weise stiehlt, geht Moses mit ihren Seeräubervätern noch einmal auf große Kaperfahrt.
Packende Musik und ein fähiger, vielseitiger Erzähler: so wird aus Kirsten Boies zweiter Seeräuber-Moses-Geschichte ein wunderbares Hörbuch. Allerdings ist bei dieser fein erzählten Buchvorlage auch nichts anderes zu erwarten.
Kirsten Boie: „Leinen los, Seeräuber Moses",
Jumbo Verlag, € 19,99
Eigentlich gleich zwei …
Die Geschichte von James Bowen und Bob, seinem rotfelligen Kater, der ihm in erbärmlichem Zustand zulief, hat in den letzten beiden Jahren viele Menschen begeistert. Als Bowen im Frühling 2007 auf Bob traf, war er mitten im Drogenentzug, verdiente sein Geld als Straßenmusiker und lebte in einer Sozialwohnung – der denkbar schlechteste Zeitpunkt, ein Haustier aufzunehmen. Doch Bob war das egal, er hatte sich Bowen ausgesucht und blieb bei ihm. Trotz der widrigen Umstände übernahm dieser die Verantwortung, die beiden retteten sich quasi gegenseitig. Was sie miteinander erlebten, wie sie voneinander lernten, das ist Thema zweier Bücher, das zweite ist gerade erst erschienen. In anrührender, eingängiger Sprache erzählt Bowen sein Schicksal, manchmal selbstmitleidig, oft aber mit klarem Blick auf die eigenen Anteile daran.
Carlos Lobo hat beide Bücher in einer bearbeiteten Fassung als Hörbuch eingelesen – er gibt Bowen die deutsche Stimme und das ist interessant zu hören.
James Bowen: „Bob, der Streuner & Bob und wie er die Welt sieht",
Lübbe Audio, € 10,99
Der Ehefrau-Fragebogen
Professor Don Tillman ist Professor für Genetik, er hat genau zwei Freunde – Gene und Claudia, mit deren Kindern Carl und Eugenie eigentlich sogar vier –, ein durchgetaktetes, geregeltes Leben und er versteht Witze so wenig wie Emotionen. Die Suche nach einer passenden Partnerin hat er schon länger aufgegeben, er mag keine Zeit vergeuden und so ein Date kann ja den ganzen Abend dauern. Eines Tages kommt ihm allerdings die Idee, unpassende Frauen mittels eines Fragebogens bereits vor dem ersten Treffen auszusortieren; blöd nur, dass so wenige Frauen den Fragebogen zufriedenstellend beantworten! Auch Rosie nicht, Rosie ist sogar eher das Gegenteil von Dons Traumfrau. Allerdings hat Rosie etwas, was anderen fehlt: sie benötigt Dons Fähigkeiten als Genetiker. Und während sich sein Leben von vollkommener Struktur in totales Chaos wandelt, kommen die beiden sich erstaunlicherweise näher …
Graeme Simsions Buch steht völlig zu Recht rund um die Welt auf den Bestsellerlisten! Und Robert Stadlober ist die passende Stimme für dieses in Ich-Form erzählte Buchvergnügen.
Graeme Simsion: „Das Rosie-Projekt", Argon Hörbuch, € 19,99
Ein feines Portrait.
Axel Hacke ist eigentlich kein Hörbuchsprecher, sondern Kolumnist und Autor. Und trotzdem hat er viel Erfahrung im Vorlesen – seine Bühnenprogramme, mit denen er immer wieder in ganz Deutschland unterwegs ist (wenn Sie einen Termin wahrnehmen können: gehen Sie hin!), bestehen aus vielen Lesesequenzen. Wenn Hacke dann ein ganzes Hörbuch einliest, hat das immer einen guten Grund!
Stefan Lukschys Buch über den unerreichten Großmeister des deutschen Humors, Loriot, bietet Anlass genug: Lukschy, viele Jahre dessen Assistent und der ganzen Familie in tiefer Freundschaft verbunden, schreibt mit soviel Sympathie und so faktenreich, dass es eine Freude ist. Mit dem begabten Vorleser Hacke wird es auch zur Hörfreude.
Lukschy / Hacke: „Der Glückliche schlägt keine Hunde",
Random House Audio, € 19,99
Tatsächlich: ein Vergnügen.
Wenn ein Autor mit einem unterhaltsam-ungewöhnliches Buch debütiert hat, das dann auch noch monatelang ganz oben auf den Bestsellerlisten steht, hält die Bücherwelt rund um den Globus die Luft an - wird das zweite Buch auch gut? Oder eher eine Enttäuschung? Im Falle Jonas Jonassons wissen wir es jetzt: „Die Analphabetin, die rechnen konnte" ist genauso gut wie Jonassons Erstling. Der gleiche Humor, die gleiche Erzählgeschwindigkeit, dazu neue unterhaltsam-absurde Ideen, es ist alles so, wie man es erwarten kann. Und deshalb (vielleicht auch trotzdem …) nach wie vor ein großes Lesevergnügen! Dank der Schauspielerin und Hörbuchsprecherin Katharina Thalbach ist es allerdings auch ein großes Hörvergnügen.
Jonas Jonasson: „Die Analphabetin, die rechnen konnte.",
der Hörverlag, € 19,99